Mein seglerischer Weg vom ersten Traum bis zur Rennjolle
Mit sechs Jahren hatte ich (gemeinsam mit meinen Eltern und meiner Schwester) das erste Urlaubserlebnis am Attersee.
Baden und spielen mit kleinen Spielzeugbooten direkt am Ufer in einer ruhigen Bucht. Was gibt es Schöneres? Die Träume von einem eigenen Boot wuchsen auf bescheidenem Niveau, ein Boot mit Mast war der Traum. Es sollte so aussehen wie jenes von dem älteren Herrn am Grundstück nebenan, der fast jeden Abend bei leichter Brise Segel setzte und dem Ufer entlang aussegelte und meinen Blicken entschwand.
Pirat OE 238
Mit zwölf Jahren, nach einigen Urlauben am Attersee, hatte ich das große Erlebnis:
Mein Vater kaufte gemeinsam mit meinem Onkel einen gebrauchten Holzpiraten > Segelnummer OE 238
Meine Segellaufbahn begann mit bootreinigen, wasserlenzen, Persenning zusammenlegen, … also Hilfsdienste die heute kaum mehr ein Jugendlicher jahrelang machen würde.
Sehr stolz war ich, als mir die Aufgabe übertragen wurde, den Piraten schwimmend bzw. paddelnd von der Boje bis zur Einsteigstelle am Ufer zu verfrachten. Speziell wenn die Wassertemperaturen nicht ganz so angenehm waren. Dies war dann für einige Zeit mein „Hauptjob“ da ein Schlauchboot als Beiboot erst viel später angeschafft wurde.
Zum sechzehnten Geburtstag war dann eine Feier, eigentlich der Ritterschlag für mich:
Die „Herren“ (Vater und Onkel) beschlossen, dass ich jetzt reif genug bin, um alleine segeln zu können und zu dürfen.
Unter unzähligen guten Ratschlägen stach ich mit dem Piraten alleine in See! Der Attersee und auch der Wind waren mir gnädig. Leichte Brise ca. 1-2 Windstärken, ich war in meinem Element!
Der Tag endete, wie es kommen musste: Sonnenbrand auf den unmöglichsten Stellen, die „Herren“ nervös ohnegleichen da die vereinbarte Rückkehrzeit um mehr als 3 Stunden von mir überschritten wurde. Die Standpauke war auch nicht ohne, …
Von diesem Tag an, hatte ich dennoch das seglerische Vertrauen und durfte, wann immer möglich, alleine aussegeln.
Da ich den Piraten fast schon als mein eigenes Boot ansah, gab es natürlich auch Spannungen mit meinem Onkel. Das Ergebnis war dann letztendlich für mich natürlich sehr positiv!
V-Star getauft auf „Angstschiss“
Vater kaufte einen gebrauchten Kunststoff V-Star aus der Werft Heitzinger in Attersee.
Die Jolle hatte die Baunummer und gleichzeitig auch die Segelnummer
V – OE 48.
Diese V-Star-Jollen mit einem 90 kg-Kiel gelten als „nahezu“ kentersicher und stehen heute noch in div. Segelschulen unter Verwendung.
Wermutstropfen an der Sache war, dass ich wieder nur bedingt segeln durfte. Diesmal war nicht der Onkel schuld, sondern ich selbst. Segeln dürfen war gleichbedeutend mit einem einigermaßen guten Schulerfolg. Dies steuerte mein Vater sehr beharrlich, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als auf relativ guten Schulerfolg zu achten.
Zu meinem 18. Geburtstag stand die Entscheidung an: Führerschein oder Segel A-Schein?
Ich entschied mich für den Segelschein. In der Segelschule Attersee bei Karl Heitzinger, dem Original, wie wir ihn nannten, gab es als „Extra“ für mich die Möglichkeit auf einer Trias als Hilfssegellehrer einen Großteil der Ferien zu verbringen.
Der Lohn war freie Kost und freie Getränke und natürlich endloser Spaß.
Nach Abschluss meines ersten Teiles der Berufsausbildung, also als Maturageschenk, ging die Eigentümerschaft des V-Stars mit allen Rechten, Kosten und Pflichten auf mich über.
Der V-Star wurde dann erst „richtig“ getauft auf den Namen „Angstschiss“. Hintergrund für diese Namensgebung war meine Mutter. Sie hatte ständig Angst um mich, speziell wenn ich alleine am Trapez und alleine mit dem Spinnacker unterwegs war. Der V-Star wurde von mir für Einhandnutzung selbst sorgfältig umgerüstet bzw. ausgestattet mit Genua, Spinnacker und Trapez,…
Ein paar Jahre später, mit der Gründung meiner Familie, Hausbau und zwei kleinen Kindern war diese Jolle natürlich nicht mehr günstig für mich als Familienvater. Der V-Star wurde an einen Freund und Berufskollegen verkauft mit allem drum und dran, vom Anhänger bis zum Stander.
Bianca 28 getauft auf „Bianca“
Doch schon ein Jahr später lernte ich einen Industriellen kennen, der gerade eine Bianca 28 von Dänemark nach Österreich überstellt hatte. Das ist die richtige „Yacht“ für den Attersee, war meine Meldung bei der Erstbesichtigung. Und wie es eben oft spielt im Leben, hatte der Industrielle wenige Monate später doch nicht mehr so ein großes Herz für die Seglerei und konnte Bargeld dringend und gut gebrauchen. Die Bianca 28 war mit Handschlag und Barzahlung meine Yacht.
Nach gründlicher Reinigung ging es ans Überarbeiten und Investieren: Sitzpolster in der Kajüte wurden moderner und neu gemacht. Ein Profilvorstag mit Rollreffeinrichtung zum Einrollen bzw. Reffen der Genua wurde installiert. Das gesamte laufende Gut wurde erneuert, Vorsegel, Genua, Großsegel, Persenninge für Rollfock, Großbaum und Cockpit sowie die Winterpersenning kamen neu dazu. Ein Jahr später wurde die Spannackerausrüstung inkl. Spinnaker und Blister nachgerüstet.
Vermessen und angemeldet beim österreichischen Segelverband wurde die Bianca auch noch. Ich erhielt die Segelnummer OE 1 (heute AUT 1)!
Es war somit die einzige bzw. erste Bianca 28 damals in Österreich. Mittlerweile gibt es eine zweite Bianca 28 am Attersee.
Dieses Boot ist heute noch in meinem Besitz und hängt an der Boje direkt vor der Esplanade in Attersee. Mittlerweile haben nicht nur unsere Töchter die Jugend auf dem Boot verbracht, sondern die nächste Generation fordert mich auch schon. Unsere beiden Enkeln (Florian und Nina) mit aktuell 3 und 5 Jahren stehen mit der Schwimmweste parat sobald ich in Attersee auftauche. Sie bereiten mir mit ihrer Begeisterung eine große Freude und ich bin natürlich sehr stolz auf beide!
Der Wind ist nicht immer jedermanns Sache, mal zu wenig, mal zu viel, dann wieder zu kalt, …
Diese Aussagen kennt jeder Segler der nach Mannschaft sucht,…
Ich war und bin oft auch alleine mit der Bianca 28 unterwegs bis ich eines Tages einen alten Freund aus Jugendtagen traf. Er erzählte mir von seinem „neuen“ Hobby der Restauration von Holzbooten. Die Schilderung war so faszinierend und detailverliebt, dass ich mich von dieser Faszination begeistern ließ.
Pirat AUT 555 „Geppetto“
Wenige Wochen später waren mein Schwiegersohn Michael und ich am Weg nach Deutschland, ins fränkische Seenland, zum großen Brombachsee. Unser Ziel war ein im Internet angebotenen Holzpirat Baujahr 1955.
Ausgestattet mit Holzmast und Holzgroßbaum und typisierten Anhänger. Dass der Pirat ursprünglich aus der DDR stammte ging aus den Unterlagen und dem Messbrief hervor.
Der Vermessungsbrief vom „Bund Deutscher Segler“ hatte die Segelnummer GO 279 und gebaut wurde der Pirat von der Yachtwerft VEB Berlin.
Nach gründlicher Überarbeitung wurde der Pirat in Österreich neu vermessen und hat heute die Segelnummer AUT 555, eine Wunschsegelnummer mit Bezug zum Baujahr 1955.
Es gab auch hier einiges zu sanieren und zu lackieren, vom Unterwasserschiff bis zum Deck und Cockpit. Gebaut wurde der Pirat in Vollholzbauweise und der Mast hat eine Mastlegevorrichtung. Dies ist typisch für Jollen die auf den Berliner Gewässern mit den vielen Brücken unterwegs sind. Ein zweiter Pirat mit dieser Mastausführung ist mir in Österreich nicht bekannt.
Der Pirat hängt heute beim Union Yacht Club Attersee UYCAs am Steg und wird bevorzugt von der Jugend (Susanne und Michael) benützt.
Generalsanierung Winter 2017 auf 2018! Infolge des doch schon beachtlichen Alters der Jolle zeigten sich kleinere Leckagen und auch Risse im Deck. Die Schrauben-Abdeck-Stoppeln waren auch nicht mehr alle bündig und vollzählig vorhanden. Einige Lackschäden gab es zusätzlich und das Unterwasserschiff musste ohnehin überarbeitet werden.
Die Entscheidung von Michael war: Sanierung soweit wie möglich von Grund auf.
Die Fotos übermitteln ein paar Eindrücke über die durchgeführte Sanierung.
Es wurde das gesamte Unterwasserschiff ausgeleistelt, alle Dübel ausgebohrt und neu gesetzt, innen und außen wurde das Holz komplett abgeschliffen. Dies brachte zusätzliche Schwachstellen zu Tage die auch im Zuge der Arbeiten beseitigt wurden.
Nach dem Abschleifen ging es ans Lackieren. Unterwasser mit Kupferbronze auf speziellen 2-Komponentigen Untergrundaufbau, sonstige Lackierung mind. 7 Lagen Epifanes Lack.
So sieht das Ergebnis aus:
Kontrolle durch Tochter Nina und Schwiegermutter (meine Gattin) Helga bei der Bootsübernahme mit Wolfgang Friedl von Fa. Woodenboat.
Als Ergänzung ist anzumerken dass bis auf die Endlackierung des Decks alle Lackierarbeiten von Michael ein Eigenregie durchgeführt wurden.
Und der nächste Winter kommt bestimmt und bedeutet: dass dann noch der Mast neu zu lackieren sein wird,…
Ich bin schon froh dass Michael mittlerweile auch den Virus zum Holzboot sanieren und erhalten hat. Denn einen Verbündeten in der Familie braucht man bei diesem Hobby schon!
Wer genauso wie ich vom Virus des Bootsanierens befallen ist, versteht mich wahrscheinlich besser. Der Kindheitstraum (vom ersten Urlaub in Attersee) war eine Jolle, so wie sie der Nachbar damals hatte:
Eine O-Jolle aus Holz mit Holz Rigg war schon damals mein Ziel.
O-Jolle „Venticello“
Nur zum Spaß suchte ich bei befreundeten und bekannten österreichischen Bootsbauern nach einer Holzjolle.
Im Internet fand ich eine O-Jolle aus Berlin die käuflich und erschwinglich war. Dass ein gewisser Sanierungsstau auch gleich mitübernommen wurde, ist selbstredend.
Die O-Jolle verfügte über einen Holzmast mit fixen Wanten und einem Holzgroßbaum. Die Jolle wurde inkl. Hänger mit allen dazugehörigen Ausrüstungsgegenständen erworben und auf eigener Achse im Schneesturm von Berlin nach Österreich geholt.
Die O-Jolle war auch aus DDR-Bestand mit der damaligen Segelnummer G 275 versehen und ist Baujahr 1954.
Die O-Jolle wurde von mir saniert, aber technisch im Originalzustand belassen und wird somit als „unverbastelt“ bezeichnet. Der Holzmast und natürlich die fixen (nichtverstellbaren) Wanten wurden nicht verändert. Einzig ein neuer Holzgroßbaum wurde angeschafft da der alte Großbaum schon ziemliche Verschleißerscheinungen aufgewiesen hatte.
Nach der Neuvermessung und Registrierung beim ÖSV in Österreich trägt die Jolle jetzt die Segelnummer AUT 13 (ist auch eine Wunschnummer).
Die O-Jolle verwende ich bei Klassik-Regatten z. B. am Attersee und Holzbootregatten an der alten Donau in Wien „just for fun“.
Höhepunkt war für mich die Europameisterschaft der O-Jollen 2017 in meinem Heimat-Club UYCAs.
Die EURO, bestens organisiert von Dr. Anton Cuber, bot mir die Chance mit allen Profis und Segelcracks der O-Jollen Szene aus Holland, Deutschland und Österreich gemeinsam zu segeln. Und das Ziel „Finisher“ zu sein, ohne Disqualifizierung und ohne Streichung einer Wettfahrt, wurde erreicht.
Bei 82 Meldungen, als 71igster im Endergebnis mit der „Museumsjolle“ aufzuscheinen, hat mir Freude und Zufriedenheit bereitet.
15 m2 Rennjolle getauft auf „Florina“
Im Jänner 2015 entdeckte ich im Internet durch Zufall, dass eine uralte 15 m² Rennjolle käuflich zu erwerben wäre. Schneetreiben und tiefe winterliche Fahrbedingungen konnten mich nicht von der Reise zum Chiemsee abhalten. Nach einer kurzen Überlegungszeit von 2 Wochen war es soweit. Die Sanierungs-Renn-Jolle war meine Jolle. Die Segelnummer M 48 war zwar am Segel, aber sonst war die Jolle leider ohne Papiere.
Die Jolle wurde in Österreich neu vermessen und registriert und hat jetzt die Segelnummer M 8 (natürlich auch eine Wunschnummer)
Über die Sanierung und meine „ersten“ Erlebnisse mit diesem besonderen Kauf habe ich hier auf dieser Website m-jolle.at unter „M 8 die Geschichte, die Erlebnisse, von und mit Florina“ berichtet.
Foto: Segelnostalgie 2016 Wien
Fotos mit der neuen Besegelung:
Gerald Oberhuber
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